Bozen, Göttingen, 30. September 2005
Anlässlich der bevorstehenden Feierlichkeiten zum
50-jährigen Bestehen der chinesischen Herrschaft über
die Autonome Region Xinjiang am 1. Oktober hat die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) Peking vorgeworfen, die
traditionelle Kultur der Uiguren in der Provinz im Nordwesten des
Landes systematisch zu zerstören. "Für die muslimische
Bevölkerung Xinjiangs gibt es keinen Grund zu feiern", sagte
der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in
Göttingen, "denn China betreibt eine Politik der Vernichtung
der uigurischen Kultur. Bücherverbrennungen
regime-kritischer Autoren sind nur die Spitze des Eisberges. Viel
folgenreicher ist die gezielte Verdrängung der uigurischen
Sprache zugunsten des Chinesischen aus dem öffentlichen
Leben." Mit Blick auf die Feiern hat Peking vor wenigen Tagen
eine neue Welle der Repressionen gegen uigurische Regime-Kritiker
angekündigt.
"Mit der Schließung von Minderheiten-Schulen, dem Verbot
von Turk- Sprachen bei Vorträgen, Seminaren und anderen
öffentlichen Veranstaltungen, der Einschränkung der
Lehrer-Ausbildung in Minderheitensprachen sowie mit speziellen
Zulassungsbeschränkungen, von denen vor allem uigurische
Studenten betroffen sind, wird die Jahrtausende alte Kultur der
Uiguren planmäßig zerstört", sagte Delius. Peking
missachte die offiziell bestehende "Autonomie" Xinjiangs, das von
den seit altersher dort lebenden Uiguren, Kasachen, Kirgisen und
anderen Turkvölkern weiterhin als "Ostturkestan" bezeichnet
wird. Mit seinem mangelnden Respekt gegenüber der
traditionellen Kultur Ostturkestans schüre Peking den
Widerstand der Uiguren gegen seine Herrschaft.
"Eine blühende Zukunft" hatte der Vorsitzende der
Kommunistischen Partei Xinjiangs, Wang Lequan, der Region am
Donnerstag prophezeit, das Wirtschaftswachstum der Region werde
jährlich um 9,2 Prozent steigen. Doch Recherchen der GfbV
zufolge profitieren von diesem Wirtschaftswachstum vor allem
Einwanderer der chinesischen Mehrheitsbevölkerung, die heute
schon mindestens 40 Prozent der offiziell 19,6 Millionen Bewohner
der Autonomen Region stellen. Systematisch fördert Peking
ihre Einwanderung. Diese Han-Chinesen stellen inzwischen die
meisten Arbeitskräfte in Wirtschaft, Handel und Verwaltung.
Das hohe Wirtschaftswachstum sei einseitig, da es vor allem von
der Erdöl- und Erdgasförderung genährt werde.
Peking ist vor allem daran interessiert, seine Herrschaft in
Xinjiang zu sichern, um die Rohstoffversorgung der
Industriezentren an der Ostküste zu gewährleisten.