Bozen, Göttingen, 5. Juli 2005
Anlässlich des 70. Geburtstages des Dalai Lama (6. Juli)
hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) der
deutschen und europäischen Politik "Heuchelei" in der
Tibet-Frage vorgeworfen. "Es ist ein unwürdiges Schauspiel,
wenn Politiker den Dalai Lama zu seinem Geburtstag mit Lobreden
hofieren, obwohl sie sich seit Jahren nicht für eine
friedliche Lösung des Tibet-Konflikts einsetzen", sagte der
GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen.
Mit ihrem Schweigen zur Zerstörung Tibets beschleunigten sie
den Untergang der traditionellen tibetischen Kultur.
Neun Jahre nach der weltweit beachteten Tibet-Resolution des
Deutschen Bundestages habe die rot-grüne Bundesregierung
keinen Buchstaben der Resolution verwirklicht, kritisiert die
GfbV. Darin war am 20. Juni 1996 die Bundesregierung unter
anderem aufgefordert worden, sich für einen konstruktiven
Dialog zwischen dem Dalai Lama und Peking, für die
Freilassung des entführten Panchen Lama und für einen
Stopp der staatlich geförderten Besiedlung Tibets mit
chinesischen Migranten einzusetzen. Auch die Europäische
Union (EU) reagiere nicht auf die wachsende Bedrohung Tibets
durch die staatlich geförderte Einwanderung von Chinesen,
die Zerstörung der traditionellen Kultur und die
Beschränkung der buddhistischen Religion.
"Wenn die internationale Staatengemeinschaft eine Eskalation des
Tibet-Konfliktes nicht in Kauf nehmen will, muss sie nun endlich
reagieren und sich bei der chinesischen Führung für die
Aufnahme glaubwürdiger Verhandlungen mit dem Dalai Lama
einsetzen", forderte Delius. "Denn nur mit diesem Dalai Lama ist
noch eine friedliche Lösung der Tibet-Frage möglich."
Er könne noch alle Tibeter einen und sie zur Annahme eines
mit Peking ausgehandelten Autonomiemodells bewegen. Die bisherige
Regelung über die angebliche Selbstverwaltung Tibets bestehe
nur auf dem Papier, das Sagen hätten nach wie vor die
chinesischen Besatzer.
Seit Jahren bietet der Dalai Lama der chinesischen Führung
Verhandlungen ohne Vorbedingungen an. Mehrfach sind in den
letzten beiden Jahren Emissäre des weltlichen und
religiösen Oberhauptes der Tibeter nach Peking gereist. Dort
sind sie jedoch niemals angemessen empfangen worden. China habe
die Bedeutung der Besuche immer heruntergespielt. Nach dem Tode
des Dalai Lamas droht den tibetischen Buddhisten eine
Zerreißprobe. Denn Chinas atheistische Führung hat
bereits den Anspruch erhoben, bei der Auswahl eines neuen Dalai
Lama entscheidend mitzuwirken. Für Tibets Buddhisten
bedeutet dies eine inakzeptable Einmischung in ihre eigenen
religiösen Angelegenheiten.