Bozen, Göttingen, 17. März 2006
Ein Notruf aus Tschetschenien erreichte die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) am Freitagnachmittag: Der
Menschenrechtler Artur Eschiew wurde am Mittwochabend gegen 21
Uhr von so genannten Kadyrowzy aus seinem Haus im Dorf Benoi in
der Region Wedenno verschleppt. Die Geiselnehmer fordern die
Beschaffung von Waffen im Wert von 5000 Dollar für seine
Freilassung. Die Kadyrowzy - die rund 5.000 Mitglieder umfassende
ehemalige Leibgarde des ermordeten prorussischen Präsidenten
Achmad Kadyrow - werden für zwei Drittel der
Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien verantwortlich
gemacht.
Die GfbV befürchtet das Schlimmste für Artur Eschiew,
denn als Neffe des Vorsitzenden der "Gesellschaft für
russische tschetschenische Freundschaft", Imram Eschiew, ist er
hochgradig gefährdet. Imram Eschiew, der sich zurzeit dank
eines Stipendiums von amnesty international in Deutschland
aufhält, hat in den vergangenen Jahren schon sechs seiner
Verwandten und Mitstreiter verloren. Sie wurden wegen ihres
Menschenrechtsengagements ermordet. In dringenden Schreiben
appellierte die GfbV deshalb an Bundestagsabgeordnete und die
Deutsche Botschaft in Moskau, sich dringend nach dem Verbleib des
verschleppten Menschenrechtlers zu erkundigen und seine
Freilassung zu erwirken.
Artur Eschiew hat sich nicht nur aktiv an der
Menschenrechtsarbeit der Gesellschaft seines Onkels beteiligt, an
Demonstrationen teilgenommen, Listen von Verschleppten und
Ermordeten zusammengestellt und veröffentlicht. Er ist auch
einer der Zeugen in einem Strafprozess gegen die korrupte
Ortsverwaltung von Benoi, den sein Onkel angestrengt hat. "Ich
habe Angst um meinen Neffen", sagte Imram Eschiew in einem
Telefongespräch mit der GfbV-Referentin für die
GUS-Staaten, Sarah Reinke. Die Dorfverwaltung von Benoi unter
ihrer Chefin Toma Israpilova arbeite eng mit den "Kadyrowzy"
zusammen. Ihr Bruder sei Kommandeur der Kadyrowzy in der Stadt
Argun, wo sein Neffe gefangen gehalten werde.