Bozen, Göttingen, 30. Dezember 2006
"Mit der Hinrichtung des ehemaligen irakischen Diktators haben
die Regierungen des Irak, der USA und Großbritanniens die
Chance vertan, Saddam und seine Helfer für schwerwiegende
Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen: die Massenmorde an den
Shiiten und Marscharabern mit bis zu 300.000 Toten seit 1991 bis
2003, die Hinrichtung von 8000 Knaben und Männern des
kurdischen Barzani-Stammes (1983) und den Völkermord an 180
000 Kurden - unter ihnen assyro-chaldäische Christen,
Yeziden und Turkmenen - während der so genannten
Anfal-Offensive 1987/88. Diese Verbrechen hätten in ihrem
ganzen Umfang vor Gericht dokumentiert und aufgeklärt werden
müssen", sagte der Generalsekretär der Gesellschaft
für bedrohte Völker Tilman Zülch.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker lehnt die
Todesstrafe auch für Kriegsverbrecher grundsätzlich ab.
Allerdings wären die Erklärungen von Bundesregierung
und Parteien zur Hinrichtung Saddam Husseins glaubwürdiger
ausgefallen, wenn man sich wenigstens nach dem Sturz des
Diktators (2003) mit den langjährigen Waffenlieferungen
beider deutscher Staaten an den Irak und der Mitwirkung einzelner
deutscher und europäischer Firmen am Aufbau der irakischen
Giftgasfabriken und dem Bau der Scudraketen befasst hätte.
Allein bei dem Giftgasangriff auf die Stadt Halabja sind am 16.
März 1988 5000 kurdische Kinder, Frauen und Männer
ermordet worden. Etwa zehntausend Menschen wurden zum Teil schwer
verletzt. Zülch appellierte an die Bundesregierung, ein
Wiederaufbau- und Hilfsprogramm für die Stadt Halabja im
autonomen irakischen Bundesstaat Kurdistan einzuleiten. Die
politischen Parteien werden gleichzeitig mit Schreiben gebeten,
sich für ein solches Programm einzusetzen.