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Bozen, 26. Februar 2018
Die Angst vor türkischen Angriffen auf Afrin ist leider Wirklichkeit geworden: die Regione riskiert eine humanitäre Katastrophe. Foto: GfbV.
Seit dem 20. Januar 2018 greift das türkische
Militär gemeinsam mit dschihadistischen Gruppierungen das
Gebiet Afrin in Rojava/Nordsyrien an. Kurden muslimischen,
alevitischen und yesidischen Glaubens stellen die
Bevölkerungsmehrheit Afrins. Darüber hinaus ist es
Heimat christlicher Assyrer und syrischer Araber. Die Stadt Afrin
mit ihren umliegenden Dörfern im äußersten
Nordwesten Syriens konnte seit Beginn des Kriegs trotz
wiederholter Angriffe durch die Nusra-Front, den Islamischen
Staat (IS) oder andere islamistische Gruppen sowie das
türkische Militär relative Stabilität und den
Frieden bewahren. Mehr noch wurde Afrin v.a. ab 2015 für
hunderttausende Binnenflüchtlinge aus Aleppo und den
umliegenden Gebieten trotz Embargo und Isolation ein sicherer
Hafen. Bis jetzt. Denn die türkische Armee und ihre
dschihadistischen Hilfstruppen der Freien Syrischen Armee (FSA)
greifen momentan nicht nur Flüchtlinge gezielt an, sondern
verursachen auch neue Fluchtbewegungen.
Die türkische Armee führt in Afrin einen Angriffskrieg
gegen ein Gebiet innerhalb von Syrien. Diese Invasion soll zur
Besetzung des gesamten Kantons Afrin führen, Vertreibungen
von Kurden aus dem Kanton sind vom türkischen Kriegsherrn
schon angekündigt worden. Das ist ein äußerst
schwerwiegender Bruch des Völkerrechts. Erschwerend kommt
hinzu, dass der Aggressorstaat Mitglied der NATO und des
Europarats ist, dass dieser Angriff mit deutschen LEOPARD-Panzern
und anderen, von NATO-Partnern gelieferten Waffen
durchgeführt wird. Es geht um einen Angriff gegen die
Selbstverteidigungseinheiten von Rojava- Nordsyrien, die die
Türkei nicht bedrohen, die sich nicht nur gegen den IS
heldenhaft verteidigt haben, sondern die entscheidende Kraft
für die Befreiung der vom IS besetzten Gebiete Syriens
waren. Nun sind genau jene Kräfte unter türkischem
Beschuss, die in Syrien auch für die Sicherheit Europas
gekämpft haben.
Afrin ist einer der drei selbstverwalteten Einheiten der
"Demokratischen Föderation von Nordsyrien". Schon seit 2012
baut die dortige Bevölkerung trotz Bürgerkrieg und dem
von allen Kriegsparteien verhängten Embargo ein
demokratisches Autonomiemodell auf. Es geht um ein für die
gesamte Nahostregion innovatives Gesellschaftsmodell, das
demokratische Selbstbestimmung mit Minderheitenschutz und
Gleichberechtigung der Volksgruppen, der Religionen und der
Geschlechter verbindet. Rojava-Nordsyrien kann als Modell
für ein friedliches, demokratisches und föderales
Syrien dienen, die große Hoffnung für Millionen von
Syrern, die nach 7 Jahren Bürgerkrieg völlig am Ende
sind.
Dieses Modell verdient unsere Solidarität. Die
türkischen Angriffe machen jede Hoffnung auf eine friedliche
Lösung zunichte, destabilisieren vielmehr auch den bisher
verschonten Norden Syriens, verschlimmern die humanitäre
Lage von Millionen von Menschen, die bisher von direkten
Angriffen verschont geblieben sind und verursachen neue
Flüchtlingswellen, auch nach Europa. Darüber hinaus
laufen die verschiedenen Minderheiten - Kurden, Christen,
Aleviten, Yesiden - ernsthaft Gefahr, vertrieben und vernichtet
zu werden.
In der Türkei werden alle Menschen, die gegen diese Invasion
protestieren und sich für Frieden aussprechen, als
Terroristen und Verräter gebrandmarkt. Bisher sind mehr als
600 Menschen in der Türkei verhaftet worden, weil sie sich
öffentlich und in sozialen Medien gegen den Angriffskrieg
gegen Afrin ausgesprochen haben.
Alle europäischen Regierungen, alle Europäer, die
für Frieden, Demokratie und Menschenrechte eintreten, sind
aufgerufen, sich gegen diese Krieg des Erdogan-Regimes zu
stellen. Die Regierungen Europas, auch jene Italiens, müssen
in der UNO, in der EU, in der NATO und im Europarat sofort klar
und deutlich das Ende des türkischen Angriffs fordern. Die
Regierungen Europas und vor allem der NATO-Staaten müssen
die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO suspendieren und
alle Rüstungslieferungen an die Türkei einstellen. Die
Friedensverhandlungen zwischen der Türkei und den
politischen Vertretern der Kurden müssen wieder aufgenommen
werden, die 2015 unterbrochen worden sind, genau wie die
internationalen Friedensverhandlungen zur Beendigung des
Bürgerkriegs in Syrien.
Südtirol, Italien und die übrigen Staaten Europas
müssen die demokratische Föderation Rojava-Nordsyrien
anerkennen und deren Autonomie unterstützen. Sie müssen
humanitäre Hilfe für Afrin und die übrigen Kantone
leisten. Die Verteidigung dieser Region ist nicht nur in unserem
Interesse, sondern auch moralisch geboten für Menschen, die
nichts als den Schutz ihrer Grund-, Menschen- und
Minderheitenrechte fordern. Auch wenn Dankbarkeit keine Kategorie
der internationalen Politik ist, auch wenn in Europa
größte Indifferent gegenüber den Menschen in
Syrien herrscht, ist heute menschliche Solidarität mit all
jenen geboten, die sich unter enormen Opfern jahrelang gegen den
Terror des IS gestellt haben, auch zum Schutz der
Europäer.
BESCHLUSSANTRAG Nr. 880/18 "Solidarität mit der autonomen Region Rojava/Nordsyrien - Stopp dem türkischen Einmarsch in Afrin": www2.landtag-bz.org/documenti_pdf/idap_504407.pdf
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2018/180220de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2018/180212de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2018/180207de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2018/180129de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2018/180123de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2018/180122de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2017/170822de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2017/170718de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2017/170426de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2017/170419de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2017/170406de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2016/161020de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2016/160907de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2016/160617de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2016/160219de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2016/160215de.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/nordsiria2017.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/rojava.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/yezid2.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/ezid.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/kurtur-de.html
in www:
www.gfbv.de/fileadmin/redaktion/Reporte_Memoranden/2016/Nordsyrien_Reisebericht_compressed.pdf