Bozen, Göttingen, 22. August 2008
Zwei Tage vor dem Ende der Olympischen Spiele in Peking hat
die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag
kritisch Bilanz gezogen. "Die Spiele haben die Volksrepublik
nicht liberaler werden lassen. Im Gegenteil: Sie haben
Menschenrechtsverletzungen in China noch geschürt",
erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Keines der
Versprechen, die Peking vor den Wettkämpfen in Hinblick auf
die Menschenrechtslage abgegeben gemacht habe, sei erfüllt
worden. Uiguren und Tibetern drohe nach den Spielen sogar noch
eine weitere Verschärfung der Verfolgung.
Versagt hätten aber auch das Internationale Olympische
Komitee (IOC) und die Sponsoren der Spiele, da sie keinen Druck
auf Chinas Behörden ausgeübt hätten, um
Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. "Hilflos hat das
IOC zugesehen, wie die chinesische Führung die Olympischen
Spiele für politische Zwecke missbraucht hat", kritisierte
Delius. So habe die Kommunistische Partei den olympischen
Fackellauf in Xinjiang und Tibet genutzt, um ihren Machtanspruch
über beide Regionen zu bekräftigen. Auch bei der
Organisation der Eröffnungsfeier habe die Partei das Sagen
gehabt, wie inzwischen von den Organisatoren eingeräumt
wird. Es seien keine Spiele spontaner Freude, sondern staatlich
gelenkter Perfektion gewesen.
"China hat sich bei den Wettkämpfen zwar als bedeutende
Sportnation bewiesen, jedoch mit seinem mehrfachen Wortbruch jede
Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen verloren",
erklärte Delius. So seien weder öffentliche Proteste
gestattet noch sei ausländischen Journalisten Presse- und
Informationsfreiheit gewährt worden. Mit der Einrichtung von
so genannten "Protestzonen" sei die Öffentlichkeit gezielt
getäuscht worden, da sich die vermeintliche Liberalisierung
des Demonstrationsrechts als "Augenwischerei" herausgestellt
habe. Von den mehr als 77 Antragstellern, die ihren Protest
mindestens fünf Tage vorher anmelden mussten, habe
angesichts massiver Einschüchterung kaum einer von seinem
Recht Gebrauch gemacht.
Besonders Besorgnis erregend sei die Lage in Xinjiang, der
Heimat der rund neun Millionen Uiguren. "Dort muss nach dem Ende
der Spiele mit Massenverhaftungen und neuen Hinrichtungen
gerechnet werden." Nach Anschlägen in den Städten
Kashgar und Kuqa seien hunderte Häuser und Wohnungen von
Sicherheitskräften durchsucht und zahlreiche Uiguren
verhaftet worden. Doch durch immer neue Repressionen würden
die Spannungen in der Region ständig geschürt. Seit
Anfang August 2008 habe die Kommunistische Partei mehrere
Anordnungen erlassen, um die Überwachung muslimischer
Moscheen zu verstärken und um Parteimitgliedern den
Moschee-Besuch zu verbieten. Mehr als 1.500 Uiguren seien im Jahr
2008 im Zusammenhang mit den Spielen festgenommen worden. Aus
Angst vor Protesten sei die Bewegungsfreiheit von Uiguren
systematisch eingeschränkt worden, um sie vor und
während den Spielen daran zu hindern, in den Osten Chinas zu
reisen. Auch im benachbarten Tibet habe man während der
Spiele tausende buddhistische Mönche und Nonnen am Verlassen
ihrer Klöster gehindert, um Proteste zu unterbinden.