Bozen, Göttingen, 4. August 2008
Nach dem Anschlag auf eine Polizeistation im Nordwesten Chinas
mit 16 Toten hat die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) am Montag davor gewarnt, Uiguren pauschal als
"Terroristen" zu bezeichnen. "Die überwältigende
Mehrheit der rund neun Millionen Uiguren und die bedeutendsten
Organisationen dieser muslimischen Minderheit lehnen Gewalt als
Mittel des Protest gegen Chinas Menschenrechtsverletzungen in
ihrer Heimat ab", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich
Delius. Außerdem hätten die Probleme Chinas in der
Region Xinjiang / Ostturkestan nichts mit internationalem
Terrorismus zu tun, sondern seien hausgemacht. "Denn keine andere
der 56 ethnischen Minderheiten in China leidet so sehr unter
willkürlichen Verhaftungen und Todesurteilen wie die
Uiguren."
Erst am 9. Juli 2008 waren in der Stadt Kashgar fünf
Uiguren aus politischen Gründen zum Tode verurteilt worden.
Zwei der Todesurteile wurden sofort vollstreckt, drei weitere
sollen später vollzogen werden. Am gleichen Tag waren in der
Provinzhauptstadt Urumtschi fünf Uiguren von der Polizei
erschossen worden, als Sicherheitskräfte eine religiöse
Feier von 15 Personen in einer Wohnung gewaltsam auflösten.
In den offiziellen staatlichen Medien wurde die religiöse
Feier als "konspiratives Treffen muslimischer Terroristen"
dargestellt, ohne irgendeinen Beweis für den Terrorvorwurf
vorzulegen.
Die chinesischen Sicherheitsbehörden haben seit Beginn der
Unruhen in Tibet im März 2008 ihre Repression in
Ostturkestan deutlich verstärkt. So wurden zwischen
März und Juni 2008 mindestens 760 Uiguren aus politischen
Gründen festgenommen. Weitere 1.500 Uiguren wurden seither
aus politischen Gründen verhaftet. In mehreren Städten
Ostturkestans wurden in den letzten vier Wochen Wohnungen und
mehr als 200 Geschäfte von Uiguren durchsucht. Die
Polizisten suchten dabei unter anderem Fotos der im US-Exil
lebenden Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren, Rebiya
Kadeer. Wer im Besitz dieser Fotos der früheren politischen
Gefangenen war, wurde festgenommen.
Seit mehreren Jahren bemühe sich das offizielle China, die
Uiguren pauschal als Terroristen darzustellen, kritisierte
Delius. Jeden Monat würde in den staatlichen Medien
über neue mutmaßliche "Terrorüberfälle"
uigurischer Extremisten berichtet, die sich jedoch bislang meist
als unwahr herausgestellt hätten. So hatten Berichte
über eine vermeintliche Flugzeugentführung sowie
über die Erstürmung einer so genannten "konspirativen
Wohnung" einer angeblich muslimischen "Terrorzelle" in Urumtschi
im Frühjahr 2008 nur Kopfschütteln bei internationalen
Terrorismus-Experten ausgelöst. Beide Geschichten waren nach
Anhörung von Augenzeugen nicht glaubhaft.