Bozen, Göttingen, 8. August 2008
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die
Teilnahme des französischen Staatspräsidenten und
Ratspräsidenten der Europäischen Union, Nicolas
Sarkozy, an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele
scharf kritisiert. "Sarkozy entpuppt sich als Papiertiger, wenn
er sich nach seinen vollmundigen Ankündigungen im April 2008
in Peking nun doch im Kotau vor der chinesischen Führung
übt", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am
Freitag. Der EU-Ratspräsident habe so eine Chance für
Europa vertan, unmissverständlich Kritik an der
katastrophalen Menschenrechtslage in China zu demonstrieren. Es
sei weder üblich noch notwendig, dass
EU-Ratspräsidenten an der Eröffnung von Olympischen
Spielen teilnehmen.
Frankreich lasse sich gerne als Wiege der Menschenrechte feiern.
"Doch mit Sarkozys Reise macht die französische Regierung
deutlich, dass ihr Wirtschaftsinteressen mehr als Menschenrechte
bedeuten", erklärte Delius.. Paris bemühe sich zurzeit
um den Abschluss von Verträgen zum Bau von Atomkraftwerken
in China durch französische Unternehmen. Mehrere tausend
GfbV-Unterstützer hatten in den vergangenen drei Wochen aus
Protest gegen Sarkozys Wortbruch "Rote Karten" an den
französischen Präsidenten gesandt. Damit wollten die
Menschenrechtler deutlich machen, dass Sarkozy in Peking nicht
ganz Europa vertritt.
Nach der blutigen Niederschlagung der Unruhen in Tibet im
Frühjahr 2008 und den öffentlichen Protesten
anlässlich des olympischen Fackellaufes in Paris, hatte
Frankreichs Staatspräsident im April seine Reise zu den
Spielen in Frage gestellt. Er werde seine Entscheidung von der
Aufnahme eines Dialoges zwischen Chinas Regierung und den
Tibetern abhängig machen, hatte er damals erklärt. Doch
es kümmerte ihn wenig, dass eine Gesprächsrunde
zwischen Abgesandten des Dalai Lama und der chinesischen
Regierung eine Farce blieb, da Chinas Unterhändler keinerlei
Kompromissbereitschaft zeigten und nur immer neue Vorwürfe
gegen den Dalai Lama erhoben. Sarkozy lenkte angesichts
anti-französischer Proteste in der Volksrepublik, die von
den Behörden zumindest geduldet, wenn nicht sogar
gefördert wurden, ein und kündigte Anfang Juli seine
Teilnahme an der Eröffnungsfeier an.
Dass Sarkozy am Donnerstag trotz Internetzensur und neuen
Verhaftungen China attestiert hat, eine "Goldmedaille für
die Vorbereitung der Spiele" verdient zu haben, mache seinen
Kotau vor China perfekt, kritisierte Delius. Mit Rücksicht
auf die chinesische Führung habe er auch sein für die
kommende Woche geplantes Treffen mit dem Dalai Lama in Frankreich
abgesagt. "Es ist skandalös, dass Präsident Sarkozy
sich zu dieser Absage noch nicht einmal deutlich bekennt, sondern
fälschlicherweise vom Elysee-Palast erklären lasse, der
Dalai Lama habe den Wunsch nach einem Gespräch
zurückgezogen."