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Dalai Lama besucht Deutschland (29.7.-3.8.)

Tibet: Düstere Bilanz ein Jahr nach der Olympiade in Peking

Bozen, Göttingen, 29. Juli 2009

Nomadenkind in Tibet. Nomadenkind in Tibet.

Die Menschenrechtslage in Tibet hat sich nach der Olympiade in Peking weiter verschlechtert. Dies erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch zum Auftakt eines sechstägigen Deutschland- Besuches des Dalai Lama. "Auch ein Jahr nach der Olympiade erhalten wir jede Woche Berichte über willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Prozesse gegen Tibeter", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Opfer der Übergriffe seien nicht nur Nonnen und Mönche, sondern auch Schüler, Studenten, Nomaden und sogar Regierungsbeamte. Immer mehr buddhistische Nonnen und Mönche würden von den Behörden so sehr bedrängt, dass sie Selbstmord begingen, obwohl der tibetische Buddhismus dies verbiete. Chinas Behörden verstärkten systematisch ihren Zugriff auf die Tibeter und würden zunehmend den Empfang ausländischer Sender unterbinden. So hätten Tibeter in der chinesischen Provinz Gansu kürzlich auf Anordnung der Behörden ihre Satellitenschüsseln abbauen müssen.

"Chinas Regierung verweigert jeden glaubwürdigen Dialog mit der tibetischen Exilregierung des Dalai Lama. Der nach den Unruhen im Frühjahr 2008 von der Europäischen Union geforderte Dialog Pekings mit den Tibetern ist kläglich gescheitert und hatte lediglich eine Feigenblatt- Funktion", kritisierte Delius. So reagierte die chinesische Regierung ablehnend auf das "Memorandum über eine echte Autonomie für das Tibetische Volk", das Unterhändler des Dalai Lama während der achten und letzten Gesprächsrunde zwischen Tibetern und der chinesischen Führung am 4. November 2008 übergeben hatten. "Offensichtlich setzt Chinas Führung darauf, nach dem Tod des gegenwärtigen Dalai Lamas Tibet endgültig gleichzuschalten und zu unterwerfen", befürchtet Delius.

"Sollte China an dieser unnachgiebigen Minderheiten-Politik festhalten und weiterhin jede echte Autonomie für Tibet verweigern, dann ist nicht nur in Xinjiang, sondern auch in Tibet mit neuen Unruhen zu rechnen", warnte Delius. Denn der Protest werde heute nicht mehr nur von buddhistischen Nonnen und Mönchen getragen, sondern von der breiten Bevölkerung. So ist am 28. Juni 2009 der 18 Jahre alte Schüler Lobsang Nyandak verhaftet worden, weil er gegen Chinas Herrschaft in Tibet öffentlich protestiert hatte. Zwei tibetische Schüler sind kürzlich zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil sie im April die chinesische Flagge auf ihrem Schulgelände in der Stadt Tsashul vom Mast geholt hatten. Zwei weitere Schüler wurden am 19. Juni ihrer Schule in der Stadt Sangkhok (Provinz Gansu) verwiesen, weil sie öffentlich gegen die Bevorzugung von Han-Chinesen im Bildungssystem protestiert hatten.

Sechzehn von siebzehn seit dem März 2008 dokumentierten Selbstmorden wurden von Nonnen und Mönchen begangen. Nie zuvor hatten in den letzten 30 Jahren so viele Nonnen und Mönche den Freitod gewählt.