Bozen, Göttingen, 3. November 2006
Der US-Regierung droht nach Auffassung der Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) ein weiterer Verlust ihrer
Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen, wenn sie aus
innenpolitischen Erwägungen nicht mehr auf einem Einsatz von
UN-Friedenstruppen in Darfur besteht. "Völkermord ist kein
Kavaliersdelikt und eignet sich nicht für wahltaktische
Spielereien", kritisierte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius
am Freitag in Göttingen. "Jede Aufweichung der bisherigen
Position Washingtons wäre nicht nur ein Schlag ins Gesicht
der 400.000 Opfer dieses Genozids, sondern auch eine Ermutigung
für die sudanesische Führung, ihren Vernichtungsfeldzug
fortzusetzen."
Um vor den Kongresswahlen am 5. November schnell einen
außenpolitischen "Erfolg" in der Darfur-Frage vorweisen zu
können, erwägt US-Präsident George Bush
amerikanischen Presseberichten zufolge, sich mit einer
Aufstockung der in Darfur bereits stationierten Truppe der
Afrikanischen Union (AU) zufrieden zu geben. Jede
Abschwächung des Drucks der internationalen
Staatengemeinschaft werde von Khartum als Bestätigung seiner
kompromisslosen Haltung gesehen, dass sich stures Ignorieren
internationaler Proteste auszahle, meint die GfbV. Die
jüngsten Schreckensberichte aus Darfur hatten in den USA
eine große Protestbewegung entstehen lassen, die schnelle
Hilfen für die Genozidopfer fordert.
"Es ist fatal, wenn nun wieder die AU-Truppe als Feigenblatt
für die Untätigkeit der internationalen
Staatengemeinschaft missbraucht wird", erklärte Delius. Auch
mit mehr AU-Soldaten könne nicht sichergestellt werden, dass
die Zivilbevölkerung zukünftig besser geschützt
werde. Denn diese seien oft demoralisiert, schlecht bezahlt und
miserabel organisiert, so dass ihre Effektivität
äußerst begrenzt sei. In zweieinhalb Jahren
Präsenz in Darfur hätten sie es nicht geschafft, die
Zivilbevölkerung wirksam zu schützen. In
unzähligen Fällen hätten AU-Soldaten tatenlos
zugesehen, wie schwere Menschenrechtsverletzungen begangen
wurden.
Im Frühjahr 2006 hat die US-Regierung schon einmal aus
innenpolitischen Gründen massiven Druck auf die
Konfliktparteien ausgeübt. Damals sollte die Unterzeichnung
eines Friedensabkommens für Darfur durchgesetzt werden. Dies
habe schwerwiegende Folgen gehabt, kritisierte die GfbV. Das
Abkommen sei so unausgereift gewesen, dass viele
Widerstandsgruppen in Darfur es nicht unterzeichnet hätten.
Seitdem habe die Gewalt im Westen des Sudan deutlich
zugenommen.